Wir sind bereit ...
... doch vor Ort gerät alles außer Kontrolle. Was ist zu tun? Der heutige Blogeintrag kann nur sehr nachdenklich ausfallen ...
Wir werden seit einigen Tagen häufiger gefragt, ob wir angesichts der Situation in Griechenland überhaupt fahren wollen bzw. können. Und natürlich stellen wir uns diese Frage auch. Denn neben den furchtbaren Bedingungen an der Nordgrenze Griechenlands zur Türkei ist die Situation auf den Inseln in den letzten Tagen völlig außer Kontrolle geraten. So zumindest kann man es nur bewerten, wenn man die zahlreichen Berichte nicht nur in den Medien, sondern auch von Organisationen und einzelnen Personen vor Ort liest.
Nach den Unruhen auf Lesbos in der letzten Woche, die sich zu dem Zeitpunkt noch vor allem gegen die griechische Polizei richteten, scheint inzwischen eine Situation eingetreten zu sein, in der sich der Zorn der Menschen völlig beliebig in alle Richtungen entlädt. Wahrscheinlich habt ihr alle die furchtbaren Bilder von Lesbos gesehen. Ein Boot mit Flüchtlingen wurde von mehreren Dutzend Menschen daran gehindert, im Hafen anzulegen. Auf dem Boot zahlreiche Kinder.
Die Küstenwache patrolliert teilweise bewusst so dicht an Flüchtlingsbooten, dass diese zu kentern drohen. Heute dann die Katastrophe: Ein Kind ist in Folge des Kenterns eines Bootes ums Leben gekommen. Das ist einfach nur furchtbar. Und jeder mag für sich selbst beantworten, was von den europäischen Werten in den letzten Tagen an den Außengrenzen Europas noch Bestand hat.
Wir haben nicht vor, mit dem Finger auf Griechenland oder die Menschen dort zu zeigen. Denn das wäre nicht nur falsch, es wäre vor allem verlogen. Und es wäre ungerecht. Seit 5 Jahren zeigen viele Menschen vor allem auf den Inseln eine riesengroße Hilfsbereitschaft. Und auch wenn sich anscheinend viel zu viele Menschen dort nun auf die Seite derer schlagen, deren Hass auf alles Fremde sie schon immer beherrscht und deshalb auch zurecht an der Rand der Gesellschaft gedrängt hat, wollen wir nicht vergessen, dass gleichzeitig sehr sehr viele Griechen immer noch Menschenleben retten, versuchen, die Bedingungen für Geflüchtete zur verbessern oder gegen Rassismus demonstrieren. Doch es werden weniger. Denn auch sie haben den Glauben daran, dass ihnen irgendein Land der EU bei der Bewältigung ihrer großen Aufgaben hilft, offensichtlich verloren. Mal ehrlich: Wer kann es ihnen verübeln?
Die Situation auf Lesbos und den anderen Inseln ist für uns momentan genauso unübersichtlich wie für euch auch. Wir lesen, dass Journalisten angegriffen werden, Mitarbeiter von NGOs werden bedroht. Viele werden die Inseln daher verlassen, da keiner für ihre Sicherheit garantieren will. Doch wir sind noch nicht an dem Punkt angelangt, unsere geplante Fahrt abzusagen. Denn wir haben die Hoffnung nicht aufgegeben, dass sich die Situation vor Ort wieder etwas beruhigt. Normalisiert schreiben wir bewusst nicht. Denn Normalität kann es dort nicht geben.
Wir werden also weiterhin beobachten, wie sich die Situation entwickelt. Und wenn es irgendwie vertretbar und machbar ist, werden wir auch fahren. Eins steht natürlich auch fest: Sollte unsere Sicherheit dort nicht gewährleistet sein, müssen wir überlegen, was die richtige Schlussfolgerung daraus ist.
Unsere Abfahrt ist für Samstagmorgen geplant. Wir würden dann nächste Woche Dienstag auf Lesbos ankommen. In dieser einen Woche kann sich einiges verändern. Zum negativen. Aber auch zum positiven.
Und daran glauben wir jetzt einfach auch mal.
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