Wir wollten nach Lesbos. Also wurde es Lesbos ...
... klingt einfach, ist es aber natürlich nicht!
Nach einer langen Anreise sind wir heute Morgen um 8 Uhr auf Lesbos angekommen. Viel Unsicherheit war mit auf Reisen, daraus wollen wir keinen Hehl machen. Denn die Berichte der letzten zwei Wochen waren verstörend. Viel Wut hat sich hier entladen. Und diese Wut hat sich gegen Helfer, Geflüchtete, Journalisten und Einrichtungen gerichtet. Letztendlich ließ sich die Frage, ob es hier sicher für uns ist, nicht zu 100 % beantworten. Doch nachdem wir gestern vorsichtige Signale bekommen haben, dass es hier etwas ruhiger geworden ist, haben wir uns gestern entschieden, auch die letzte Etappe von Piräus nach Mytilini in Angriff zu nehmen. Und wir haben entschieden, diesen Schritt geheim zu halten, denn niemand kann mit letzter Sicherheit sagen, wer so alles die Seiten der NGOs oder Projekte überwacht.
Wie dem auch sei, der Empfang auf der Insel war gleich aufregend. Wir wurden sehr ausgiebig von Sicherheitskräften kontrolliert, was völlig ok ist, denn immerhin waren wir mit einem randvollen Bulli unterwegs. Letztendlich ist das gut ausgegangen, aber der Weg dahin war gepflastert mit einigen Engelszungen. Es war zu spüren: Die Nerven liegen blank. Danke, dass wir „verlustfrei“ von Dannen ziehen durften. Zu sehen, wie Geflüchtete auf ein Kriegsschiff gebracht werden, ist und bleibt ein beklemmendes Bild.
Nach einem kurzen Frühstück und etwas durchatmen haben wir uns direkt auf den Weg nach Moria gemacht um uns dort mit Masi, dem Ansprechpartner bei Wave of Hope zu treffen. Um es vorweg zu nehmen: Zu keinem Zeitpunkt haben wir uns irgendwie bedroht gefühlt. Wir wurden viel gegrüßt, die Kinder folgten uns neugierig. Verdammt viel Freundlichkeit für einen Ort wie diesen.
„Wave of Hope“ hat seine „Schule“ etwas unterhalb des offiziellen Camps eingerichtet. Da es unmöglich ist, dort direkt mit dem Bulli ranzufahren, wurden kurzerhand 10 Helfer zusammengetrommelt und der Bulli wurde Stück für Stück entladen. Und da wird es auch langsam Zeit für ein Lob: „Wave of Hope“ ist ein tolles Projekt. Hier haben sich geflüchtete selbst organisiert, um vor allem Kindern etwas zu bieten: Schulunterricht, zum Beispiel Englisch und Griechisch, aber auch Musik und Kunst. Es gibt eine kleine Bibliothek und da dieser Ort so etwas wie ein Anlaufpunkt ist, hat man damit begonnen, etwas oberhalb eine neue Schule zu bauen. Mit mehr Platz auch drumherum. Gebaut wird mit dem, was auch Griechen spenden. Hier ein paar Paletten, dort Holz und Nägel, Planen ... wir haben heute bereits Bereitschaft signalisiert, den Bau zu unterstützen. Denn machen wir uns nichts vor: Dieser Ort wird wohl noch länger benötigt werden ...
Doch zunächst einmal zu den gespendeten Sachen. Da es auch für die Kinder ein seltsamer Moment ist, wenn da plötzlich drei Männer aus Deutschland mit Rucksäcken, Schuhen und mehr stehen, haben wir gemeinsam mit den Leuten vom Projekt für ein paar Kinder Sachen ausgegeben. Die Hauptreaktion: Verblüffung. Unglauben. Die Rucksäcke wurden aufgesetzt nicht durchwühlt. Ein gleichzeitiger guter aber auch beklemmender Moment. Aber es wurde auch gelacht. Und das ist so unfassbar wichtig.
Die weiteren Rucksäcke haben die Helfer vom Projekt selbst verteilt. Schuhe, Schlafsäcke werden nach Bedarf ausgegeben. Und irgendwann in den nächsten Tagen werden reichlich Bälle durch das Camp rollen.
Wir hatten von der ersten Begegnung mit Masi das Gefühl, dass die Spenden genau an der richtigen Stelle ankommen! Wir werden in den nächsten Tagen sicher noch mehr Kontakt haben!
Im Anschluss haben wir unsere Unterkunft bezogen und uns am Nachmittag dann mit Maria von „Medical Volunteers International“ getroffen. Treffpunkt: One Happy Family. Dieser Ort ist vor ein paar Tagen zu trauriger Berühmtheit gelangt, als ein Feuer die auf dem Gelände befindliche Schule zerstört hat. Brandstiftung wahrscheinlich. Wer immer das auch war: Shame on you! Wer Schulen oder medizinische Einrichtungen zerstört, bricht so ziemlich jedes Tabu!
Viele andere Gebäude sind zum Glück nicht zerstört worden, so auch die medizinische Versorgungsstation der Medical Volunteers. Noch in dieser Woche soll zumindest diese wieder eröffnet werden. Die gespendeten Medikamente kommen also bald zum Einsatz! Und hoffentlich hört man auch dort bald wieder ein Kinderlachen!
Tag 1 endet also mit einem leeren Bulli. Damit ist der erste Teil der Mission schon mal erfüllt.
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