Zurück in einer neuen Welt?

Ihr Lieben,

wenn wir mal vier Jahre zurückdenken, dann hätten wir ungefähr jetzt - also wenige Tage nach unserer Rückkehr - noch mal ein Resümee geschrieben. Hätten noch mal aufgezählt, was wir so gemacht haben, wen wir unterstützt haben. Aber das ist dieses Mal völlig anders. Denn die Welt ist eine völlig andere als noch vor zwei Wochen.

Als wir losgefahren sind, haben wir uns nur ein wenig Gedanken um Corona gemacht. Vermutlich gehörten wir wie viele andere auch zu denen, die dachten, der vielzitierte "Kelch" würde an uns vorbeigehen. Beschäftigt haben uns eher die Berichte über die Unruhen auf den Inseln. Über faschistische Schlägertrupps. Über die Inselbewohner und deren Unmut und Zorn auf die eigene Regierung und vor allem die EU. Und dann sind wir losgefahren. Und plötzlich wurde Corona ein Thema. Jeden Tag ein Stückchen mehr.

Wir konnten unsere Mission noch irgendwie umsetzen. Und doch mussten wir früher wieder zurück um zu verhindern, vielleicht nicht mehr nach Deutschland zurückkommen zu können. Dass es knapp war, wissen wir jetzt. Der Balkan ist dicht und der Fährverkehr zwischen Italien und Griechenland ist auch zum Erliegen gekommen. Das es dazu kommen würde, haben wir schon geahnt. Aber man glaubt ja immer bis zum Schluss, das alles gut gehen wird. Schließlich sind wir die mit dem deutschen Pass. Wir können jederzeit überall hin. Dieses Gefühl hatten wir auch schon mal. Vor vier Jahren am Hafen von Igoumenitsa.

Corona hat uns dann am Samstag eingeholt. Wir wurden in Quarantäne geschickt. Natürlich ist das erst einmal eine ziemliche Umstellung, gerade wenn man vorher 8 Tage lang eigentlich ständig in Bewegung war. Man könnte sagen, wir sind mit 180 km/h gegen die Wand gebrettert. Aber das stimmt natürlich nicht. Wir leben schließlich noch. Wir sind gut versorgt. Wir haben nicht nur in den Medien viel Raum bekommen, sondern auch in euren Gedanken, die uns während der Fahrt begleitet haben und auch jetzt bekommen wir regelmäßig Anfragen, ob wir auch genug zu Essen (und zu trinken ...) haben. Wir können euch beruhigen: Wir haben Vorräte, werden gut versorgt. Und wir haben Klopapier.

Und wir haben viel Zeit.

Da sind wir sicher nicht die einzigen. Aber wir wissen auch, dass wir hier in Quarantäne auch ein wenig abgekoppelt sind von der Realität. Wir können nur vermuten, wie gerade sehr viele von euch nun kämpfen müssen, um allein den Alltag irgendwie zu meistern. Wir haben nur eine geringe Ahnung davon, wie viele Menschen gerade bis ans Ende ihrer Kräfte dafür sorgen, dass die medizinische Versorgung, die Versorgung mit Lebensmitteln und viele andere Dinge weiterlaufen. Damit es uns gut geht. Wie es scheint, gibt es da draußen gerade verdammt viele große und kleine Helden. Mehr als unsere "virtuelle Dankbarkeit" können wir gerade nicht zeigen. Aber vermutlich kommt unsere Chance, etwas zurückzugeben, irgendwann. Hoffentlich.

Natürlich beobachten wir aber auch nach wie vor die Situation auf den griechischen Inseln, speziell auf Lesbos und dort wiederum vor allem in Moria. Und da fühlen wir auf der einen Seite große Begeisterung für das, was "unsere Jungs und Mädels" von "Wave of Hope" gerade leisten und die vielen Volunteers, die noch vor Ort sind und einfach weiter machen.

Aber wir sind auch erschüttert. Über den Tod eines sechsjährigen Mädchens, das bei einem Feuer im Main Camp ihr Leben verloren hat. Ein sinnloser Tod. Und die Folge jahrelangen Wegschauens. Denn wir wissen es doch nicht erst seit 2 Wochen: Moria dürfte es nicht geben. Diese Lebensbedingungen sind eine Schande für Europa. Dass viele der Bewohner Morias bei allem Leid und trotz aller Schwierigkeiten immer noch beharrlich versuchen, das Leben dort lebenswerter zu machen, Schulen zu bauen, um den vielen Kindern ein wenig Hoffnung zu geben macht unsere Sorgen natürlich nicht ungeschehen. Aber doch deutlich kleiner. Und natürlich erfüllt uns das alles auch mit Scham.

Haben wir wirklich alles getan? Die Antwort kann nur ein klares Nein sein.

Die letzten Meldungen aus Griechenland gehen nun alle in die Richtung, dass Moria für 14 Tage abgeschottet werden soll. Damit will man verhindern, dass der Coronavirus in das Camp gelangt. Denn die Folgen einer Ausbreitung will sich verständlicherweise keiner ausmalen. Aber so ein Schritt bedeutet leider auch, dass die Menschen dort zunehmend auf sich gestellt sein werden.

8.000 Kinder leben dort. 1.500 von ihnen wollte man ausfliegen. Wir haben nichts mehr davon gehört. Wo sind diese Kinder? Sind sie immer noch dort? Corona überlagert gerade alles. Und das ist auch alles nachvollziehbar. Dennoch: Wann, wenn nicht jetzt, hat Europa die Möglichkeit, seine Menschlichkeit in den Vordergrund zu stellen? Wenn alle Maßnahmen darauf abzielen, Menschenleben zu retten: Gilt das etwa wirklich nur für "uns"?

Wer jetzt sagt, wir müssten "jetzt auch mal an uns denken", sollte einfach mal für einen Moment versuchen, sich in ein Kind hineinzuversetzen, dass dort in Moria auf eine Zukunft wartet.

Dann gibt es auf dieses "wir müssen jetzt auch mal an uns denken" nur eine Antwort: Das haben wir doch irgendwie die ganze Zeit schon getan.

Deswegen unser Appell, unsere eindringliche Bitte: Lasst uns diese Menschen nicht vergessen. Nicht schon wieder. Wir sitzen alle im selben Boot. Und jeder Mensch, der aus diesem herausfällt und ertrinkt hinterlässt eine Lücke im Leben anderer Menschen.

Und einen dunklen Schatten in unseren Herzen.

Lasst uns alle einfach Mensch bleiben.

 

waveofhope

 

 

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